Der Herzschlag der Toten by Ralf H. Dorweiler

Der Herzschlag der Toten by Ralf H. Dorweiler

Autor:Ralf H. Dorweiler [Ralf H. Dorweiler]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann Verlag
veröffentlicht: 2024-10-01T03:00:00+00:00


Kapitel 17

Sonntag, 24. April 1887

Rieker hatte Kracht am vergangenen Abend nicht mehr gesehen. Nach dem verunglückten Gespräch mit Hinrichs hatte er die Kämpfe unverzüglich verlassen und war missmutig nach Hause gegangen. Wenn das so weiterging, waren bald alle seine Kontakte verbrannt.

Auf dem Heimweg hatte er erneut diesen Mann gesehen, der ihm schon einmal am Stadthaus aufgefallen war. Der große Kerl im langen Mantel hatte sich zur Seite gedreht, als Rieker ihn bemerkt hatte, und war hinter einer vorbeiziehenden Gruppe von Trinkern in den Schatten verschwunden. Vielleicht war es nur ein Zufall gewesen. Oder es handelte sich um verschiedene Männer. Das Gesicht hatte er bei beiden Begegnungen nicht erkennen können, aber die Art seiner Bewegungen hatte etwas in Rieker anklingen lassen. Er war in die Richtung gegangen, um sich zu vergewissern, doch der Mann blieb verschwunden.

Als Rieker kurz darauf die Tür zu seiner Wohnung öffnete, hatte er an den armen Kater denken müssen und für einen Moment befürchtet, erneut ein totes Tier vorzufinden. Aber die Wohnung war zum Glück unberührt gewesen. Weder ein Kadaver noch ein Zettel lagen dort herum, sodass Rieker seinen guten Anzug gereinigt und sich irgendwann zu Bett begeben hatte, um in einen unruhigen Schlaf zu fallen.

Schon früh am Morgen war er dann ins Stadthaus aufgebrochen, um sich auf dem Weg in Ruhe die nächsten Schritte zu überlegen. Am heiligen Sonntag sollte es nicht allzu viele Störungen geben. Breiden war sicherlich bei seiner Familie. Und Criminalinspektor von Stresenbeck würde nach dem Gottesdienst mit Sicherheit seine Loge besuchen. Dort würde er mit anderen Herren der Gesellschaft zu Mittag speisen, Zigarren rauchen, teuren Cognac zu sich nehmen und vorrangig an seinem Ziel arbeiten, in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt zu werden. Rieker konnte also in aller Ruhe nachdenken, doch es brachte ihn nicht weiter.

In Sachen Mord an Ansje Kalferer befand er sich nämlich schlicht und ergreifend in einer Sackgasse. In der Hoffnung auf eine plötzliche Eingebung las er die am Vortag erstellten Notizen abermals durch, doch leider fiel ihm nichts auf. Er überlegte, noch einmal zu Kalferer zu gehen, doch was sollte ein erneuter Besuch beim Ehemann der Toten nutzen? Die einzige Person, die ihm vielleicht weiterhelfen könnte, war Achtfinger-Jens. Aber der würde ihn nicht mehr ohne Weiteres zu sich vorlassen – und erst recht nicht die Namen seiner reichen Kunden verraten, denen er junge Frauen zuführte.

Nachher sollte Kracht kommen, aber Rieker hatte keine Ahnung, was er mit dem Criminalsekretär besprechen, geschweige denn ermitteln könnte. Eigentlich blieb nicht viel mehr, als das Umfeld von Ansje Kalferer zu durchleuchten. Sie könnten die Namen ihrer Freundinnen in Erfahrung bringen und die Frauen dann befragen. Vielleicht ließen sich aus der Freundin, von der Johanna Ahrens gesprochen hatte, noch mehr Hinweise herausholen. Aber würde das reichen, um der Lösung des Falls so weit näher zu kommen, dass sie von Stresenbeck morgen einen Mörder präsentieren konnten?

»Nicht verzagen, Zeugen befragen«, ging ihm ein weiterer Spruch seines Mentors durch den Kopf. Rieker wünschte, der alte Commissar wäre noch da. Er hatte nie an sich gezweifelt und Rieker immer angespornt, sein Bestes zu geben.



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